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Erich Kästner - Klaus Mann - Projekt - Kopieren

Aktuelles
    
Der Weg zu einem neuen Theaterstück, das im Frühjahr 2022 Premiere haben soll.

„Wir haben die Kunst, damit wir nicht an der Wahrheit zugrunde gehen.“ (Nietzsche)

Mein Interesse gilt der kulturellen Atmosphäre in den Jahren 1932 bis 1945. Deutsche Literat:nnen, Schauspieler:innen, Musiker:innen und Künstler:innen mussten einen Weg finden, damit sie und ihre Kultur überleben konnten. Sie mussten die Entscheidung treffen, ob sie in Deutschland bleiben oder ins Exil gehen, ob sie sich dem Diktat der Macht beugen oder Widerstand leisten und für die Freiheit ihrer Kunst Berufsverbote, Verhaftungen und schlimmstenfalls das eigene Leben riskieren. Einige wurden berühmt im eigenen Land, andere in fremden Ländern, viele wurden totgeschwiegen, vergessen oder ihnen wurde die kulturelle Kraft und Identität genommen.
Erich Kästner war ein Literat, der sich entschied, Deutschland nicht zu verlassen. Er hatte private und berufliche Gründe, arbeitete als Autor und Drehbuchschreiber innerhalb der nationalsozialistischen Kulturideologie, geschickt darin, sich nicht auf die Seite der Macht zu stellen und war nach Kriegsende ein angesehener Literat, dem aber kein so bahnbrechendes literarisches Werk wie in der Vorkriegszeit mehr gelang.

Klaus Mann hat sich mit seiner Schwester Erika frühzeitig entschieden, ins Exil und in den Widerstand zu gehen, gründete Zeitschriften in europäischen Ländern und Amerika, verurteilte darin die Politik der Nationalsozialisten und legte immer wieder hoffnungsvoll dar, dass Deutschland ein Land der Kultur war und wieder eines werden würde. Er nahm die amerikanische Staatsbürgerschaft an und begleitete als kritischer Beobachter das Kriegsende und die ersten Prozesse der Alliierten gegen die Nationalsozialisten. 1949 wählte er den Freitod.

Beide Literaten haben noch vor Kriegsbeginn bedeutende Romane geschrieben. Kästner schrieb „Fabian – Die Geschichte eines Moralisten“ (Neuausgabe: „Der Gang vor die Hunde“) und Mann „Mephisto – Roman einer Karriere“ und „Der Vulkan – Roman unter Emigranten“. Außerdem haben beide während der Kriegsjahre ausführlich Tagebücher geführt, die erst in den letzten Jahren veröffentlicht wurden.

Diese Romane und Tagebücher sind meine Ausgangspunkte. In diesen Schriften werden Menschen lebendig, die die Kultur Deutschlands zu ihrer Zeit, teilweise auch bis heute, entscheidend geprägt und beeinflusst haben: Gerhard Hauptmann,Thomas Mann, Marlene Dietrich, Pamela Wedekind, Gustav Gründgens, Therese Giehse, Emil Jannings, Bertolt Brecht, Max Reinhardt, Erwin Piscator, Annette Kolb, Else Lasker Schüler, Walter Trier, Mascha Kaleko, Kurt Weill, Friedrich Holländer, Hans Albers…

Ich will diesen Menschen näher kommen, will ihren Entscheidungsprozess, ihren Mut und ihre Ängste verstehen lernen. Denn egal, welche Wahl sie damals für sich getroffen haben und auf welche Seite sie sich gestellt haben, sie haben geschrieben, gespielt, getanzt, komponiert, gemalt und ihr Leben der Kunst und der Kultur gewidmet. Ihre Motivationen zu ergründen und vielleicht zu verstehen kann Erkenntnis und Orientierung für heutige Künstler sein.



Im Rahmen eines Stipendiums vom "Fonds Darstellende Künste" konnte ich mich von Oktober 2020 bis Februar 2021 intensiv diesem Thema zuwenden. Eine fundierte Literaturrecherche um ein Theaterstück über Schriftsteller:innen zu schreiben oder zu entwickeln ist unabdingbar. Im normalen Leben eines Freien Professionellen Theatermachers, der für eine Vielzahl künstlerischer und organisatorischer Belange verantwortlich ist, wird das tage-, manchmal wochenlange Lesen, einarbeiten und studieren oft als zu zeitaufwändig bewertet, warten doch tausend andere, wichtigere Aufgaben auf Erledigung. Was für Schriftsteller:innen oder Publizist:innen Alltag ist, ist für uns ein großer Luxus.
Im Rahmen des Stipendiums habe ich ausgiebig recherchiert und gelesen, Filme geschaut und geschrieben ohne gleich ein schlechtes Gewissen zu bekommen, weil ich ja eigentlich gerade „nichts Richtiges“ schaffe. Das lag nicht in erster Linie an dem finanziellen Betrag, über den ich natürlich sehr froh bin, aber der ideelle Wert des Stipendiums war für mich ein essentieller und stetiger Anreiz, weiter an meinen Ideen und Themen zu arbeiten. Wertvoll ist auch, dass das Format #takecare einen großen Freiraum lässt und kein fertiges Produkt impliziert. Ich konnte dadurch in meiner Recherche einige Umwege zulassen, die sich als äußerst spannend und letztendlich sehr wichtig für meine Arbeit herausgestellt haben.

Ich dokumentiere an dieser Stelle einige Arbeitsschritte, die durch diese großzügige Förderung möglich waren.

Oktober 2020
Nach ausführlicher Werk-Recherche und Materialsammlung von Büchern, Hörbüchern und Filmen arbeitete ich erneut einige Hauptwerke der Autoren durch, von Klaus Mann die Bücher: „Der Vulkan“; „Mephisto“; „Der Wendepunkt“ und „Flucht in den Norden“, von Erich Kästner: „Fabian“ bzw. „Der Gang vor die Hunde“; „Über das Verbrennen von Büchern“; „Meine Mutter – Zu Wasser und zu Lande“;“…was nicht in euren Lesebüchern steht“; „Das Blaue Buch – Geheimes Kriegstagebuch 1941-1945“ und natürlich seine zahlreichen Gedichtbände. Daneben las ich Biographien von Uwe Naumann und Nicole Schaenzler, bedeutenden Mann-Expert:innen, von Sven Hanuschek, der sich auf vielen Ebenen mit Kästner beschäftigt hat und ich schaute Verfilmungen von, bzw. über die beiden Autoren, „Mephisto“, „Fabian“, „Kästner und der kleine Dienstag“; „Erich Kästner – Das andere ich“.

November/Dezember 2020:
Innerhalb dieser ersten Lektürestudien rückten 2 Frauen in den Fokus. Zum einen Erika Mann, die Schwester von Klaus. Das Geschwisterpaar hatte von Kindheit an ein symbiotisches Verhältnis, sie schrieben, lebten und reisten gemeinsam und auch nach dem Freitod von Klaus Mann war Erika seine Nachlassverwalterin und Editorin, immer bestrebt, das Werk von Klaus auch in der Nachkriegszeit zu publizieren. Zum anderen Ida Kästner, die Mutter von Erich, die zwar nicht selbst geschrieben hat, aber in unzähligen Büchern, Gedichten, Kurzgeschichten oder Lebensberichten von Kästner literarisch und essayistisch sichtbar gemacht wird. Mir wurde klar, dass die Lebensgeschichte der Autoren ohne diese Frauenfiguren nicht zu erzählen ist. Ich las „Escape of Life“, das Erika und Klaus Mann gemeinsam geschrieben hatten, und Erikas Bücher „Zehn Millionen Kinder – Erziehung im Dritten Reich“ und „Wenn die Lichter ausgehen – Geschichten aus dem Dritten Reich“. Außerdem besorgte ich mir Literatur zur „Pfeffermühle“, dem Kabarett, in dem Erika jahrelang gegen die damals herrschende Klasse agitiert hat. Zudem fand ich eine CD mit rekonstruierten Liedern aus der „Pfeffermühle“. In Kästners Büchern und Tagebüchern suchte ich aufmerksam die Stellen, die sich auf Ida Kästner bezogen. Auch von ihm fand ich zahlreiche CD´s mit rekonstruierten Kabarett-Songs.

Januar/Februar 2021
In dieser Zeit widmete ich mich der Familiengeschichte der „Manns“, sah nochmals das 3-teilige fast 12-stündige Dokudrama „Die Manns – Ein Jahrhundertroman“ von Heinrich Breloer, las Essays und Bücher von Marcel Reich Ranicki über die Mann-Familie und vertiefte mich in die Beziehung von Heinrich Mann und Klaus Mann.
Im letzten Schritt suchte ich „Schnittstellen“, d.h., da sich Mann und Kästner (wahrscheinlich) nie wirklich begegnet sind, sich aber durchaus publizistisch wahrgenommen haben, suchte ich für meine Theateridee Orte oder Anlässe, in denen eine fiktive Begegnung möglich gewesen wäre.
Die vorläufigen dramaturgischen Bindeglieder und Schlüsselworte für meine Stückentwicklung sind:

1. Die Schreibmaschine/ Notizheft/ Stift
Beide Autoren haben eine solche Vielzahl und Menge publiziert, dass sie eigentlich permanent geschrieben haben müssen. Für mich als Figuren- und Objekttheaterspieler bedeutet das, Möglichkeiten zu suchen, wie ein solcher Schreibvorgang auf der Bühne darstellbar ist, ohne dass ich in übliche Klischees verfalle.

2. Das Radio
In allen biographischen Werken beider Autoren hat das Radio und das unablässige Suchen nach den „wahren“ Kriegsnachrichten in verschiedensten europäischen Sendern einen besonderen Stellenwert. In meinen ersten Bühnenbildentwürfen sind „überdimensionale“ Radioapparate dominantes Stilmittel.

3. Das Kabarett
Kästner hat für das Kabarett geschrieben, Klaus und Erika Mann ebenfalls, Erika hat selbst ein Kabarett geleitet. Viele dieser Songs sind rekonstruiert worden oder noch als Arrangements vorhanden. Für mein Stück wird das Kabarett mit Live-Musik sicher Bestandteil sein.

4. Der Film
Kästner hat für den Film Drehbücher geschrieben und konnte letztendlich an einem Filmset dem Krieg entkommen. In Klaus Manns berühmtesten Roman „Mephisto“ hat der Protagonist Höfgens ebenfalls die Möglichkeit, an einem Filmset über sein zukünftiges Leben zu entscheiden und wählt die Rückkehr nach Berlin, wo er zum Intendanten der Preußischen Bühnen wird. Liegt hier vielleicht eine Möglichkeit für eine fiktive Begegnung der Protagonisten?

5. Erika Mann und Ida Kästner
Die lebenslang wichtigsten Bezugspersonen der beiden Autoren werden einen gleichwertigen Platz im Theaterstück bekommen.

6. Musik
Ich beschäftigte mich noch einmal mit der Musik der Jahre 1910 bis 1945 und stieß dabei auf das Jazz-Ensemble „Charlie and His Orchestra“ eine von Josef Goebbels zu Propagandazwecken zusammengesetzte Bigband, die amerikanische und englische Jazz-Schlager zu solchen mit antibritschen, antisowjetischen und antijüdischen Inhalten umgetextet haben.

Ausgehend von diesen Recherchen und Ideen habe ich nun mit der Arbeit an meinem Stück begonnen. Erste Bühnenbild- und Figurenentwürfe bewegen sich in Richtung des bisher erarbeiteten Konzeptes.
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